Meeresgrotten glimmen, Nachtlichter flackern: Das Phänomen der Biolumineszenz fasziniert die Menschen seit jeher. Unsere Experten lüften das Geheimnis leuchtender Lebewesen. Und beantworten eine brennende Frage: Könnten wir das Biolicht als Leuchtmittel einsetzen?
Falmouth, Jamaika. Zunächst wirkt das schwarze Wasser in der weltbekannten Lagune völlig ruhig. Aber dann, bei der geringsten Bewegung, erwacht es zum Leben: Ein blau-grünes Licht glimmt aus der Tiefe empor. Im Volksmund heißt es: Wer in diesem „Glitzer-Wasser" ein Bad nimmt, schwimmt in der Quelle der Jugend, wird schöner und verliert an Alter.
Und was sagt die Wissenschaft? Heute wissen wir, dass eine hohe Dichte so genannter biolumineszenter Dinoflagellaten dieses Leuchten erzeugt – einzellige Organismen, die Licht ausstrahlen. Aber wer die außerweltlich anmutende Erscheinung in Falmouth einmal gesehen hat, den wird es kaum verwundern, dass sich seit Jahrhunderten Mythen und Legenden darum ranken.
„Die Emission von Licht aus Feuer, Blitzen, Sternen oder Lebewesen fasziniert uns Menschen seit jeher“, sagt Cassius Stevani, Biolumineszenz-Experte und Lehrbeauftragter am Chemie-Institut der Universität von São Paulo. „Biolumineszenz zieht uns an, weil dieses Licht ein fremdartiges Glühen, etwas Magisches und Geheimnisvolles ausstrahlt."
Als Biolumineszenz bezeichnet man die Emission von kaltem, sichtbarem Licht eines Lebewesens. Die wohl bekanntesten Beispiele für dieses Phänomen sind Leuchtkäfer und Glühwürmchen. Doch biolumineszente Organismen leben fast überall auf dem Planeten, die meisten in unseren Ozeanen. „Es gibt biolumineszente Bakterien, Dinoflagellaten, Pilze, Insekten, Würmer, Quallen, Krebse, Mollusken und Fische, aber interessanterweise existieren keine biolumineszenten Pflanzen", erklärt Professor Stevani. Der vermutete Hintergrund: Die Emission von Licht könnte manchen Meeresbewohnern einen evolutionären Vorteil gegenüber anderen Tiefsee-Tieren gegeben haben – an einem Ort ohne Lichtquelle.
Stevani selbst hat ein Faible für biolumineszente Pilze, wie er zugibt – doch sein oberstes Forschungsziel geht weit über die leuchtenden Fungi hinaus: „Jeder Organismus hat seine Besonderheit und seine eigenen chemischen Prozesse für die Produktion von Licht. Als Wissenschaftler brenne ich dafür, zu erfahren, wie und warum dieser Prozess stattfindet."
Nun, das „Wie?“ ist klar: Biolumineszenz entsteht in einer chemischen Reaktion zwischen einem Trägermaterial, meist „Luciferin“ genannt, und einem Enzym namens Luciferase. „Es ist eine Art von Oxidationsreaktion wie beim Feuer“, sagt Stevani. „Allerdings ist Feuer ein chaotischer Prozess, der Energie als Wärme freisetzt. Biolumineszenz hingegen ist ein organisierter Ablauf, bei dem Energie in Form von Photonen freigesetzt wird, die das Licht erzeugen."
Beim „Warum?“ hingegen gibt es Unterschiede abhängig vom Organismus – wie Stevani weiter ausführt: "Glühwürmchen zum Beispiel setzen Biolumineszenz für Kommunikation, Jagd und die Balz ein. Fische verwenden sie zum Kommunizieren, Jagen – und als Gegenbeleuchtung. Und Pilze leuchten vermutlich, um Insekten zur Verbreitung ihrer Sporen anzulocken."
Auf den ersten Blick entstammen diese lichtemittierenden Organismen einer völlig anderen Welt als ihre synthetischen Pendants, wie etwa LEDs. Doch bei genauerem Hinsehen entdeckt man so manche Gemeinsamkeit:
"LEDs und Biolumineszenz gehören eigentlich zur gleichen Klasse von Leuchterscheinungen: der Lumineszenz", erklärt Stevani. "Der Unterschied besteht darin, wie das Molekül oder Material einen angeregten Zustand erreicht. Wenn Strom verwendet wird, handelt es sich um Elektrolumineszenz. Bei einer chemischen Reaktion ist es Chemolumineszenz – von dieser wiederum Biolumineszenz eine Spielart ist. "
Aber unterscheiden sich unsere Lampen von den natürlichen nicht durch eine Vielfalt an Farben? Sie werden überrascht sein, was die Natur alles zu bieten hat! "Blaue, rote und grüne Emissionen gibt es sowohl an Land als auch im Meer. Auch Mischungen aus Gelb und Orange kann man beobachten. Normalerweise ist Blau die Farbe des Meeres, aber einige Quallen emittieren im grünen Bereich. Und wussten Sie, dass ein Leuchtkäfer das gesamte Farbspektrum ausstrahlen kann?"
Wenn Organismen wie Bakterien nun Licht erzeugen, wirft das eine spannende Frage auf: Können wir diese nicht einfach verpacken und als Lichtquellen verwenden? Und weiter gefragt: Besteht vielleicht sogar die Möglichkeit, ein Geschäft daraus zu machen – und mit Biolumineszenz unsere Welt zu beleuchten?
Einige Start-ups würden Sie das sicherlich glauben lassen wollen. Mit Slogans wie: Wir revolutionieren die Art, wie wir Licht produzieren! Mit einer lebendigen und autonomen Beleuchtungs-Ressource! Mit gezüchteten Biolumineszenz-Bakterien! Doch Experten sind da skeptisch.
„Viele denken, dass sie ein neuartiges und brillantes Konzept entdeckt haben: kostenloses Licht", sagt Edie Widder, Biolumineszenz-Spezialistin sowie Präsidentin, CEO und leitende Wissenschaftlerin bei ORCA (Ocean Research & Conservation Association) in Florida. „Das Problem ist aber, dass dieses Licht nur solange gratis bleibt, bis Sie die Produktionskosten berechnen. Es kostet eine gewaltige Menge Energie, die spezifischen Bedingungen für das Wachstum und das Leuchten von Bakterien aufrechtzuerhalten.“
"Biolumineszenz hat viele wertvolle Anwendungsmöglichkeiten“, sagt Widder. „Aber die Welt zu beleuchten, ist keine davon. LEDs hingegen, gespeist von Solar- oder Windenergie, sind eine viel sinnvollere Lösung für nachhaltige Beleuchtung." Und so bleibt dem Biolicht der romantische und mythische Teil dieser Geschichte – zum Beispiel in Jamaika als glitzernder Badewanne der ewigen Jugend.
Professor Cassius Stevani ist Privatdozent am Chemistry Institute of University von São Paulo (USP), wo er die Funktionsweisen von Lichtemission in biolumineszenten Pilzen erforscht. Mehr über ihn:
Dr. Edie Widder ist eine weltweit anerkannte Expertin auf dem Gebiet der Biolumineszenz und Tiefseeforschung. Sie ist aktuell die Vorsitzende der Ocean Research & Conservation Association (ORCA) in Florida. Mehr über sie auf: