Das wohl berühmteste Licht-Zitat stammt von dem österreichischen Lyriker Anastasius Grün in seinem Gedicht „Pfaff vom Kahlenberg: ein ländliches Gedicht“ (Kapitel 25: Im Pfarrhause. Nachtgedanken) aus dem Jahre 1850.
Und taucht und ringt empor mit Macht,
Ein Wandervogel auf Sehnsuchtschwingen;
Doch ist sein Flug zur düstern Ferne
Umstellt vom Strahlennetz der Sterne!
Drin hat das Vöglein sich verfangen
Und sitzt auf goldnen Kerkerstangen,
Die rings die Welt umgittern dicht,
Und singt: „Im Anfang war das Licht!“
Die astronomische Sichtweise auf das Licht, die Grün in seinem Werk annimmt, adaptiert der Fotograf und Künstler Chris Tille auf völlig revolutionäre Weise - sowohl von der künstlerischen als auch der wissenschaftlichen Seite.
New Horizon – ein kosmisches Ereignis
Und nicht zuletzt „New Horizon“, das den Zusammenstoß zweier schwarzer Löcher vor 1,3 Milliarden visualisiert. Das gigantische kosmische Ereignis strahlte 50-mal mehr Energie aus als das Licht aller Sterne im Universum. Als die entsprechenden Wellen im September 2015 die Erde erreichten und von LIGO (Laser Interferometer Gravitational-Wave Observatory) eingefangen wurden, bestätigten sie Albert Einsteins Hypothese über die Existenz von Gravitationswellen sowie seine Theorie über die Krümmung der Raumzeit. Ein riesiger Meilenstein in der Wissenschaft und für Tille Grundlage für sein Kunstwerk, in der helle und dunkle Pixel die Lautstärke und Tonhöhe der Schallwellen repräsentieren.
New Horizon
Die Bilder sind allesamt eine künstlerisch elegante und wissenschaftlich präzise Darstellung astrophysikalischer Tatsachen. Mit Hilfe komplexer Algorithmen schafft Tille Werke von tiefgreifender Bedeutung, die uns einen Einblick in das Innenleben des Universums geben - sogar in die Schöpfung selbst.
Die hohe Präzision in der Umsetzung der astro-physikalischen Fakten und seine außergewöhnliche Ästhetik überzeugte selbst das Max-Planck-Institut, wo er mit PD Dr. Torsten Enßlin (Leiter des Max-Planck-Instituts im Astrophysics Planck Analysis Centre (MPAC) eng zusammenarbeitet. Das Institut liefert mittlerweile häufig die für seine Projekte benötigten Rohdaten.
Im persönlichen Gespräch mit LEDVANCE erläutert Tille, wie er neben seinem Job als Fotograf zum Künstler wurde und die Wissenschaft als Quelle seiner Kreativität entdeckte.
Du hast in mehreren fotografischen Projekten künstlerisch dargestellt, wie universelle, physikalische Vorgänge im Universum in Licht darstellbar sind. Wie kamst Du auf die Idee?
Tille: „Nach einer langen Zeit der visuellen Fotografie ging mir in einigen Situationen immer mal wieder die Kreativität verloren. Ein Schock, denn das kannte ich nicht. Ich realisierte aber recht schnell, dass ich den Mut haben muss, Brüche zuzulassen.
Ich überlegte und kam auf den Gedanken, dass mich gerne stärker künstlerisch betätigen möchte und mich schon immer die Ästhetik der Elemente und die visuelle Magie des Ursprünglichen faszinierten. Daraus entwickelte ich die Idee, aus Klängen Kunstwerke zu kreieren. Aus unterschiedlichen Frequenzen sollten unterschiedliche Pixel entstehen. Mir wurde schnell klar, dass ich Projekte durchführen wollte, die auf Daten basieren, ich wollte nicht intuitiv und emotional arbeiten, sondern wissenschaftlich fundiert. Ich probierte viel aus, aber zunächst funktionierte nichts zufriedenstellend.
Dann, wie so oft im Leben, spielte der Zufall eine entscheidende Rolle. Ich hatte in einer wissenschaftlichen Zeitschrift über Prof. John Cramer gelesen, der es als erster Wissenschaftler geschafft hat, basierend auf reellen Daten des Max-Planck-Instituts, den Urknall hörbar zu machen. Ich habe dann Kontakt zu Prof. Cramer aufgenommen und dankenswerterweise die Sound-Dateien von ihm bekommen. Ich brauchte dann rund zwei Jahre, um mit dem Datenmaterial die künstlerische Umsetzung zu realisieren und als Ergebnis war ich dann der erste Künstler, der basierend auf diesen Daten den Urknall in meinem Werk „Big Bang“ sichtbar gemacht habe. Ab da bekam ich Zugang zu weiteren wissenschaftlichen Daten, die normalerweise nicht jeder bekommt – und konnte weitere Projekte realisieren.
Wie funktionierte die Methode der Interpretation und Visualisierung wissenschaftlicher Daten bei „Big Bang“?
Tille: „Ich zerlegte den Ton, der sich aus der Frequenz und der Lautstärke ergibt, in visuelle Impulse, also in helle und dunkle Pixel. Ein lautes Rauschen mit einer niedrigen Frequenz erzeugt helle Pixel, während ein leises Rauschen mit einer hohen Frequenz zu einem grauen Pixel führt. Das Ergebnis wird dann in großem Maßstab gedruckt, um die Sichtbarkeit optimal zu gewährleisten.“
Was genau hast in den rund zwei Jahren der Vorbereitung zu „Big Bang“ gemacht?
Ich musste eine Methode finden, um Klänge möglichst genau in Pixelbilder zu verwandeln ubnd diese auf Fotopapier zu bringen. Das war ein langer Prozess des Experimentierens und es gab sehr viele Rückschläge.